HumorKultur

Kultur unter freiem Himmel:

Wenn die Bretter, die die (Theater)-Welt bedeuten, unter freiem Himmel liegen, wenn man während einer Vorstellung die mitgebrachten Schnittchen und Frikadellen aus dem Picknickkorb mit Wein aus der eigenen Kühltasche runterspült und wenn man dann nach zwei Stunden „Drei Männer im Schnee“ das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommt, dann war, beziehungsweise ist man in der Naturbühne Hohensyburg. „Naturbühne Hohensyburg?“ werden jetzt viele denken, „noch nie gehört“, oder bestenfalls „schon mal gehört, aber da war ich noch nie“. So oder so, schade ist es allemal, denn Dortmunds südlichstes Theater ist eine wahre Perle am Dortmunder Unterhaltungshimmel und verdient unbedingt und schnellstmöglich mehr Anerkennung und Fans. Ich gebe zu, auch ich war jahrelang auf diesem einen Auge blind. Die Hohensyburg verband ich mit der Spielbank, dem Denkmal, lange Zeit auch mit dem Minigolfplatz und die Naturbühne ließ ich bei Cabrio- und Motorradtouren einfach links neben dem Campingplatz liegen.

Das änderte sich vor drei Jahren mit dem Tod von Ned Devine. Der wurde nämlich plötzlich Lottomillionär, konnte aber, anders als der mittlerweile ja fast schon berühmt zu nennende Dortmunder Lottomillionär „Chico“ seinen Reichtum nicht genießen, weil er vor lauter Lottoglück einem Herzinfarkt erlag. Die Bühnenfassung des englischen Kultfilms „Lang lebe Ned Devine“, den ich jedem Leser nur ans Herz legen kann, machte mich neugierig und so kaufte ich spontan vier Tickets und „entführte“ meine Gattin und ein befreundetes Paar auf die Naturbühne.

Das Theater dort gibt es tatsächlich schon seit 1952. Rund 750 Zuschauer haben auf den Holzbänken Platz, direkt hinter der Bühne beginnt der Wald, in dem die Akteure zum Kostümwechsel verschwinden und der besonders bei schönem Wetter für eine einzigartige Atmosphäre sorgt. Um Wald und Bühne kümmert sich ein Verein, dem rund 300 Mitglieder angehören. Finanziert von immer wieder variierenden und (zu) geringen Zuschüssen des städtischen Kulturbüros, den Spenden einiger Firmen und Verbände, ist das Theater auf die Beiträge und vor allem die Eigeninitiative seiner theaterverrückten Mitglieder angewiesen. So müssen Bäume mal vor dem Borkenkäfer gerettet, mal gefällt werden, das Clubhaus und der Verkaufskiosk gepflegt und betrieben, Kostüme genäht und Requisiten gezimmert werden. „Häufig sind bei uns komplette Familien im Verein und es gibt auch Stücke, in denen Eltern und Kinder einer Familie gemeinsam auftreten“, erzählt Elke Eitner, die langjährige Vorsitzende und Seele des Vereins: „Meist fängt es mit einem Kind an, dass bei uns mitmacht, dann kommt ein Geschwisterkind und am Ende der Papa oder die Mama, oder gleich beide.“

Alle Schauspieler sind also Hobbyschauspieler, das Wort „Laien“ benutze ich bewusst nicht, denn was dort auf die Bühne gebracht wird, ist beachtlich. Mindestens zweimal pro Woche wird geprobt, in den Tagen vor den Premieren auch schon mal täglich. Geboten werden in diesem Jahr Klassiker wie „Peter Pan“ oder „Oh wie schön ist Panama“ für Kinder oder „Die Addams Family“ und „Drei Männer im Schnee“. Da schlüpft dann Stefan Kruse, im richtigen Leben Stadtplaner, in die Rolle des Geheimrats Eduard Tobler und seine Tochter Ella spielt im Stück – na was wohl – seine Tochter. Regie führt eine Lehrerin, Sina Weber, während bei der Addams Family, wo wegen der Gesangspart und der Tanzchoreographien schon Seite Ende letzten Jahres geprobt wird, eine Architektin den Takt vorgibt. Kirstin Cramer begann übrigens schon vor vielen Jahren – als kleiner, grüner Frosch. Irgendwie lässt einen die Naturbühne nicht mehr los. Wir kommen seit „Ned Devine“ immer wieder, mittlerweile mit der ganzen Clique. Es macht einfach Spaß, frei nach einem bekannten Slogan „Dortmund überrascht Dich“.

Text: Heiko Wasser, Bilder: Alexander Borowski