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Interview mit Neven Subotic über seine Stiftung

„Man muss nicht nur ein liebes Herz haben, sondern auch hart und klug arbeiten“

Neven Subotic über sein Engagement für eine globale Gesellschaft

Wenn man Bilder von der letzten Projektreise sieht, fallen einem die glücklichen Gesichter der Menschen auf, die um den gerade gebohrten Brunnen tanzen. Was sind das für persönliche Geschichten, die Sie mit der Stiftung nachhaltig verändern? An welche Menschen denken Sie immer wieder, wenn Sie an diese Glücksmomente erinnert werden?

Da ist zum Beispiel Mulu. Er ist Vater zweier Töchter, Schulleiter und dazu noch ein besonders motivierter, gebildeter und freundlicher Mann, der eigentlich in der Stadt leben könnte mit seiner Familie, wenn er das wollen würde. Doch das tut er nicht. Stattdessen leitet er die Sifra Jeganu Schule und sorgt dafür, dass die Kinder dort langfristig zur Schule gehen können. Wir waren dort in den letzten Jahren bereits vier Mal zu Besuch und jedes Mal hat die Schüleranzahl deutlich zugenommen. Bevor er da anfing, ging die Schule nur bis zur 3. Klasse, doch mittlerweile, trotz keiner zusätzlichen Schulgebäude, wird schon bis zur 7. Klasse unterrichtet. Das ist deshalb so wichtig, weil es im ländlichen Teil für viele Kinder die einzige Schule sein wird, auf die sie gehen werden, weil die Sekundarstufe viel weiter weg ist und oft ist es finanziell gar nicht zu stemmen. Mulu ist deshalb beeindruckend, weil er sich als einen Teil der Gesellschaft versteht und so auch handelt, zum Wohle der Gemeinschaft und das Tag für Tag. 

Bei uns ist es gerade en vogue, sich zu minimalisieren, Überflüssiges zu entsorgen und im Sinne der Nachhaltigkeit mehr an Teilhabe-Projekten (Carsharing, Foodsharing usw.)  zu partizipieren. Im Gegensatz zu Ihren Spielerkollegen leben Sie bescheiden. Wann und wie haben Sie denn für sich gemerkt, dass Sie nicht mehr materielle Besitztümer brauchen?

Vorneweg, auch ich hatte mehrere Autos und ein Haus im Dortmunder Süden. Doch früh merkte ich, dass ich eher ein gesellschaftliches Klischee erfülle, als wirklich meinen Weg zu gehen. Mit der Zeit kam die Erfahrung, Höhen und Tiefen, und auch der Blick richtete sich auf mich selbst, nicht mehr auf die Erwartungen Dritter. Letzten Endes kulminierte es sich in der Gründung der Stiftung, die wohl ähnlich wie die Erstgeburt war, denn von da an war ich zu 100% auf meinem Weg.

Äthiopien muss ein Land sein, in dem es auch unter schwierigen Bedingungen immer noch ein starkes Gemeinschaftsgefühl gibt. Wie äußert sich das für den Besucher, der dorthin fährt?

Einerseits besuchen wir Gemeinden und sehen dann, mit wie viel Motivation sie uns willkommen heißen möchten. Beispielsweise wird da gerne mal eine Ziege geschlachtet und Soft-Drinks besorgt, all das sind sehr hohe Kosten, doch für die Gemeindemitglieder ist es viel wichtiger, uns willkommen zu heißen, als Geld zu sparen. Tatsächlich bringt uns auch die Situation manchmal in eine schwierige Lage, da uns nur die Menschen wichtig sind, und das Geld hätte gespart werden können. Oft kommt unsere Gruppe sprachlos nach Deutschland zurück, wo dieser wichtige Wert leider immer rarer wird.

In einem Interview haben Sie mal auf die Frage, warum Sie sich nicht hier, sondern in der Dritten Welt engagieren, geantwortet, „Wir als Europäer haben 500 Jahre lang Afrika ausgeschöpft …“ Ist das nicht überhaupt eine ziemlich grundsätzliche Aussage, die wir uns gerade auch mit Blick auf die hier ankommenden Flüchtlinge immer mal wieder vor Augen halten sollten?

Es ist eine grundsätzliche Aussage, da wir die Historie nicht einfach ignorieren können, da sie ja tatsächlich so war wie sie war, und deshalb auch jetzt die Umstände sind, wie sie sind. Dabei geht es nicht darum, einer Gruppe eine gewisse (historische) Schuld zuzuweisen, sondern vielmehr eine faktenbasierte Grundlage zu schaffen für unser Denken und Handeln, denn darauf haben wir Einfluss. Hinzu ist es jedem überlassen, sich dahin einzuordnen wo er/sie möchte. Da ist es mir wichtig, mich in erster Linie als Mensch zu sehen, was eine Verbindung zu jedem Menschen auf Augenhöhe möglich macht.

Nicht nur ein großer Teil Ihres privaten Vermögens, sondern auch Ihrer Aufmerksamkeit, Ihrer Zeit fließt in diese Arbeit. Sie lesen Sachbücher, bilden sich weiter in allen Bereichen, die der Stiftung dienlich sind… Ist das so wie eine positive Spirale, die sie gefasst hat? Man tut Gutes und das zieht automatisch nach sich, dass man noch mehr und noch besser darin werden will?

Es ist eine Lebensaufgabe geworden, so dass der damals eingeschlagene Weg für mich richtungsweisend war. Um nach vorne zu kommen und wirklich etwas in der Welt zu verändern, muss man nicht nur ein liebes Herz haben, sondern vor allem auch hart und klug arbeiten. Um die größte Wirkung zu erzielen, ist es ebenfalls notwendig, sich mit der Wissenschaft auseinanderzusetzen, also nicht dem Bauchgefühl oder Einzelfällen, da Studien und Erfahrungsberichte oft bereits aufzeigen, was nicht funktioniert (und trotzdem machen es viele einfach so weiter). Da wir uns als Organisation nicht vor den Härtefällen scheuen, sondern sie als Herausforderung annehmen, müssen wir uns fortbilden und vernetzen, denn nur so vermeiden wir Fehler und können wirklich gute Arbeit leisten. Hinzu kommt die Verantwortung, unseren Spendern und natürlich den Menschen vor Ort gegenüber, die wir als oberste Pflicht ansehen. Um diese zu erfüllen, reicht guter Wille bei Weitem nicht.

Mal abgesehen davon, dass ja eher wenige Äthiopier unter den Flüchtlingen sind, die derzeit nach Europa kommen – die Idee, für Perspektiven in den Heimatländern zu sorgen, damit die Menschen da bleiben können, wo sie ja eigentlich auch bleiben möchten, weil es ihr Zuhause ist, lässt sich ja in Krisenregionen, die von Diktatoren oder extremistischen Gruppen kontrolliert werden, nicht so umsetzen. Dummerweise wollen ja Leute, die in einem armen Land Macht haben und auf Kosten der anderen leben, ihre Privilegien nicht kampflos abgeben. Schwierige Frage… wo könnten da Ansätze sein, diese Verhältnisse zu ändern? Wirtschaftliche Sanktionen? Oder sind Projekte, die mit Bildung und Aufklärung zu tun haben schon vielversprechend?

Die Frage umfasst Reihen von Büchern und diversen Theorien deshalb wird sie unmöglich zu beantworten sein. Grundsätzlich sehen wir bereits am Beispiel vom Aufschwung Chinas, das 700 Millionen, also mehr als die Gesamtbevölkerung Europas, in den letzten 40 Jahren aus der extremen Armut geholt wurden, dass es zwangsläufig u.a. zu Veränderungen in Europa führt. Doch natürlich ist kaum jemand in Europa bereit, weniger zu haben, damit jemand in China mehr hat. Ganz plastisch bedeutet das, dass sich in den nächsten 50 Jahren noch viel verändern wird – und der wohl beste Weg, sich dafür vorzubereiten, ist durch gute Bildung, so dass es überhaupt global fair sein kann.

Beruflich hat gerade ein neues Kapitel in Berlin begonnen. Die Dortmunder Fans – insbesondere die, die damals im Kreuzviertel dabei waren – werden aber wohl nie diese besondere Freude und Nähe vergessen, die Sie an diesem legendären Nachmittag ausgestrahlt haben, als sie auf dem Auto tanzten und Ihre Schuhe verloren haben. Was für Erinnerungen an die Dortmunder Fans sind Ihnen denn unvergessen?

Nichts ist größer als dieser Moment im Kreuzviertel damals, und auch die gesamte Feierei rund um die Meisterschaft. Dass ich das erleben durfte mit 600.000 Verrückten ist ein Highlight jedes Lebens, da zähle ich mich wirklich zu der Handvoll von Fußballern, die sowas in der Karriere durchlebt haben. Es war einfach unvergesslich, herzlich und verrückt.
Anm. d. Redaktion: immer noch gibt es dazu Videos auf Youtube, zu finden über „Neven Subotic feiert mit Fans“

Oft wird ja geklagt, dass es irre und absurd sei, wieviel Fußballer verdienen, wieviel überhaupt mit dem ganzen Drumherum an Geldern bewegt wird. Wenn ich Sie spielen sehe, denke ich immer, für die Freude der Fans, die Tickets und Merchandising kaufen, freuen sich dann später – über den Umweg Neven Subotic – in Äthiopien andere Menschen mit. Sie spielen auch für die Zukunft dieses fernen Landes. Sehen Sie das ähnlich?

Ich sehe schon, dass nicht nur Fußballer, sondern auch andere Leute innerhalb des Gesellschaft überbezahlt sind im Vergleich zu anderen lebenswichtigen Berufen wir Ärzte, Lehrpersonen und Pfleger. Dieses Geld wird zum Glück nicht an mir selbst vergeudet, sondern dient letztendlich zur Sicherung der Stiftungsziele und damit dem Gemeingut. In diesem Fall ist das Geld am besten Ort investiert und zwar direkt in die (globale) Gesellschaft. 

Vielen Dank für das Gespräch!               

Text: Daniela Prüter,
Fotos: Neven Subotic Stiftung